Rosa-Luxemburg-Stiftung (Medienpräsenz)

1:34:07

In seinem Buch «Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus» analysiert der japanische Philosoph Kohei Saito die Verflechtung von Kapital, Natur und Gesellschaft im Anthropozän. Entgegen der herkömmlichen Lesart entdeckt er die Gedanken von Karl Marx neu und entwickelt mir ihrer Hilfe das Modell eines degrowth-Kommunismus. Er kritisiert den inneren Wachstumszwang des Kapitalismus als eine Grundproblematik der heutigen menschengemachten und kapitalgetriebenen Klimakrise.

Saito entdeckt alternative Pfade der Diskussion bei Marx und plädiert für eine Dekarbonisierung unter anderem durch kürzere Arbeitszeiten und Priorisierung auf lebenswichtige Produktion. Er benennt die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als neues «Opium des Volkes» und fordert die Vergesellschaftung der großen Ölkonzerne, Großbanken und der digitalen Infrastruktur.

Das Buch machte in Japan mit über 500.000 verkauften Exemplaren Furore und wurde nun von Gregor Wakounig für den dtv Verlag übersetzt.

00:00 Begrüßung: Steffen Kühne, Rosa-Luxemburg-Stiftung
02:05 Kohei Saito im Gespräch mit Malene Gürgen (taz)
54:26 Publikumsfragen an Kohei Saito

Video in englischer Sprache mit automatisierten dt. Untertiteln.

In his book "Capital in the Anthropocene: Towards the Idea of Degrowth Communism" (2023), Japanese philosopher Kohei Saito analyzes the linkage of capital, ecology, and society in the Anthropocene. Contrary to conventional reading, Saito rediscovers the thinking of Karl Marx and develops a model of degrowth communism. He critiques that the inherent growth imperative of capitalism has created the root problems of today’s man-made, capital-driven climate crisis.

Saito discovers alternative leads to discuss Marx, recommending shorter working hours and the prioritization of essential production as part of decarbonization. He calls the United Nations’ Sustainable Development Goals  a new »opium for the masses« and demands the communization of big oil, major banks, and digital infrastructure.

The book with the original title: 人新世の「資本論 Capital in the Anthropocene (2020) sold more than 500,000 copies in Japan alone.

02:05  Discussion with Kohei Saito

Moderation by Malene Gürgen (taz)

1:57:05

Für manche Klima-Aktivist*innen ist Marx ein «toter Hund» und der Marxismus ein überholtes Modell: fortschrittsgläubig, produktivistisch, anti-ökologisch. Aber in Wirklichkeit hat Marx nicht nur gegen jede Entgegensetzung von Mensch und Natur die Einheit von  «Naturalismus» und «Humanismus» betont, sondern auch mit erstaunlicher Klarheit die kapitalistische Naturzerstörung als einen «unheilbaren Riss» im Stoffwechsel kritisiert. Selbst ganze Gesellschaften seien nicht die «Eigentümer der Erde», sondern haben sie als Nutznießer «den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen».

Worin liegt die Bedeutung des Marxismus für die heutigen Kämpfe um eine sozial-ökologische Transformation? Wir besichtigen die Aspekte des marxschen Werks, die für die aktuelle Ökologiebewegung relevant sind, und machen uns vertraut mit den verschiedenen ökomarxistischen Weiterentwicklungen und Kontroversen.

Das Berliner Institut für kritische Theorie (InkriT) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat alle Interessierten zu einer Werkstattdiskussion eingeladen, in der Jan Rehmann seinen Entwurf für das Stichwort «Ökomarxismus» vorstellte, das im Band 10/I des Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM) erscheinen soll. Der Gesellschaftswissenschaftler Markus Wissen und die Philosophin Julia Egenhoff gaben dazu Kommentare ab. 

1:43:10

Frantz Fanon wäre am 20. Juli 100 Jahre alt geworden. Er gilt als einer der einflussreichsten Denker der antikolonialen Bewegung. Sein Werk «Die Verdammten der Erde» (1961) wurde kontrovers diskutiert, kann Gewalt eine befreiende Wirkung im Kampf gegen Rassismus und Kolonialisierung haben? Der «Denker der Barrikaden» (Peter Hudis) war mit seinem ersten Buch «Schwarze Haut, weiße Masken» (1952) auch ein Vordenker für postkoloniale Theorie.

Fanon erlebte als Schwarzer Soldat aus Martinique aufseiten Frankreichs den brutalen Rassismus des Kolonialstaats und engagierte sich später für die algerische Befreiungsbewegung FLN, deren Sprecher er zeitweise war. Die subkutan wirkende Macht des Rassismus zu ergründen und die Wesensverwandtschaft von Antisemitismus und Rassismus zu begreifen war Fanon wichtig. Philipp Dorestal analysiert den «gedehnten Marxismus» von Fanon und charakterisiert ihn als originellen politischen Denker, der auch für heute wichtige Impulse für emanzipatorische Politik anbietet.

1:41:04

In kaum einem anderen westlichen Land ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland – Tendenz steigend. Entgegen der Behauptung, jede/r könne es mit genug Anstrengung zu viel bringen, entscheidet vor allem die Geburt in die richtige Familie darüber, ob man als kleine, superreiche Elite aufwachsen und leben kann. Diese Erbengesellschaft, in der sich vor allem die reichsten 10 Prozent ihre Anteile an Betriebsvermögen untereinander weiterreichen, wird begünstigt durch eine extrem ungerechte Steuerpolitik. Gerade sehr hohe Erbschaften von zwei- oder dreistelligen Millionensummen können fast steuerfrei weitervererbt werden.

In ihrem Buch seziert Martyna Linartas anschaulich und präzise die Gründe und Ausmaße der immer weiter anwachsenden sozialen Ungleichheit und verdeutlicht, wie diese Entwicklung unsere Demokratie und die Bekämpfung des Klimawandels gefährdet. Durch ihre Interviews mit Menschen aus der wirtschaftliche Elite dieses Landes gibt sie prägnante Einblicke, wie diese Vermögenden Ungleichheit einschätzen und rechtfertigen. Und sie macht klar, dass die Entwicklung, die wir erleben, nicht alternativlos ist. In einem historischen Rückblick auf die 1919 eingeführte Erbschaftsteuer zeigt sie, wie diese einst eines der wichtigsten und anerkannten Werkzeuge war, um Ungleichheit zu senken. So wird auch klar: Wir können und müssen politisch einen anderen Weg einschlagen. Wie der aussehen kann, darüber sprechen wir unter anderem mit der Autorin.

Die Rede von »Freiheit« im Kapitalismus ist eine Nebelkerze, die die Reichen und Mächtigen schützt und Bürger entmündigt. Autobauer, die Rekordsummen an Aktionäre ausschütten, dann aber nach staatlichen Hilfen rufen und mit Streichung von Arbeitsplätzen drohen. Luftfahrtunternehmen, die Flugzeuge bauen, die nicht fliegen können und Menschenleben kosten. Ein globaler Überbietungswettbewerb in Staats-Subventionen und Kürzungen von Sozialleistungen. Während demokratische Parteien diese Entwicklungen als alternativlos bezeichnen, nutzen die Rechtsextremen die Lage schamlos aus und lenken die Wut auf die Schwächsten. Das alles ist keine Ausnahme, sondern das Wesen des Kapitalismus. Oxford-Ökonomin, politische Analystin und Erfolgsautorin Grace Blakeley legt die Mechanismen von Broligarchie und Neoliberalismus 2.0 schonungslos offen. Sie zeigt unmissverständlich: Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger zusammenhalten, haben sie eine Chance, die Allianz aus Superreichen und rechten Politkern zu brechen und ein freies Leben für alle zu bewahren.

Grace Blakeley, geb. 1993, ist Autorin, Journalistin und Kommentatorin. Sie ist Absolventin der Oxford Universität, wo sie Philosophie, Wirtschaft und Politik studierte und mit Auszeichnung abschloss. Sie zählt zu den prominentesten Kapitalismuskritikerinnen ihrer Generation und ist Herausgeberin von Futures of Socialism. Auf Deutsch erschien 2023 "Stolen: So retten wir die Welt vor dem Finanzkapitalismus".

Marcuse diagnostiziert der kapitalistischen Entwicklung, dass die Integration der Arbeiterklasse dazu führt, dass die kapitalistische Gesellschaft in ihrem Kernbereich keine Opposition mehr kennt. Die kritische, marxistische Theorie findet keine Grundlage in den Verhältnissen. Alles gerät in den Sog der Warenproduktion und Profitmaximierung. Bedürfnisse, Kunst, Denken, Sprache - alles folgt letztlich der Logik der technologischen Rationalität. Er analysiert, wie der permanente Konsum die Bedürfnisse deformiert und letztlich das Leben auf dem Planeten bedroht. Im Ergebnis herrscht ein eindimensionales Verständnis von Reichtum: Waren und mehr Geld. Dagegen plädiert Marcuse für die «große Verweigerung». Viele verstanden darunter den Ausstieg aus der Gesellschaft in der Alternativbewegung, doch ist das tatsächlich gemeint?

Marcuse analysiert und kritisiert den Kapitalismus in seiner damals ausgeprägten Form und nimmt ihm jeden Schimmer von Nostalgie an die «guten alten Zeiten» des Fordismus. Das Buch endet mit dem Benjamin-Zitat: «Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben».

Wie kann Marcuse heute bei der Analyse und Kritik der Verhältnisse helfen? 
Dies diskutiert Alex Demirović mit Thomas Ebermann, Publizist und Theatermacher, der unter anderem mit dem Stück «Der eindimensionale Mensch wird 50» auf Tour ging. Er war auch mal Politiker, aber «andere fanden sich in der Rolle besser zurecht». Thomas Ebermann legt im Gespräch dar, weshalb die Negation eine Grundbedingung linker Politik sein sollte.

Seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des brutalen Massakers der Hamas in israelischen Kibbuzim, Ortschaften und einem Musikfestival sowie der Entführung von über 200 Geiseln, und den seitdem andauernden brutalen Angriffen der israelischen Armee im Gazastreifen mit vielen tausend zivilen Opfern, erleben wir eine nahezu unbegreifliche Eskalation der Gewalt in Israel und Palästina. Diese Gewalt verursacht unendliches Leid, Zerstörung und Schmerz. Die Folgen für die Menschen und die Region sind noch gar nicht absehbar.

Innerhalb von Israel ist die Lage für die gesellschaftliche Linke desolat. Die extrem rechte Regierung verbietet Demonstrationen und geht massiv gegen Kritiker der Kriegspolitik vor. Ein Großteil der israelisch-jüdischen Bevölkerung unterstützt die «Politik der Stärke» und weitere Angriffe auf Gaza sowie die Aufrüstung der Zivilbevölkerung mit Kriegswaffen. Auch in Israel kam es zu Angriffen auf palästinensische Israelis.

Für die zivilgesellschaftliche Gruppe «Standing Together» ist jedoch klar: Die Sicherheit der Menschen in Israel kann nicht durch Krieg und Gewalt hergestellt werden. Schon seit 2016 setzt sich die in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel gegründete Graswurzelbewegung aus jüdischen und palästinensischen Aktivist*innen in Israel für Frieden und soziale Gerechtigkeit ein. In den Tagen nach dem 7. Oktober, in denen linke Aktivist*innen als Verräter*innen gelten und die palästinensische Bevölkerung in Israel einer Welle der Repression ausgesetzt ist, hat ihre Arbeit noch an Bedeutung zugewonnen.

Wir freuen uns daher, Rula Daood und Alon-Lee Green, Co-Vorsitzende von «Standing together» zu einer Podiumsdiskussion in der Rosa-Luxemburg-Stiftung begrüßen zu können. Gil Shohat, Leiter des Israel-Büros der RLS, spricht mit ihnen unter anderem über die aktuellen Herausforderungen ihrer Friedensarbeit in Zeiten des Krieges, die unterschiedlichen Realitäten für jüdische und palästinensische Aktivist*innen in Israel, die Diskrepanz zwischen den globalen linken Debatten zu Israel und Palästina und der Realität für progressive Aktivist*innen vor Ort, sowie ihre Forderungen an die deutsche und europäische Politik, um einer gerechten Lösung der scheinbar ausweglosen Gewaltspirale zwischen Palästinenser*innen und Israelis näher zu kommen.

Gäste: Alon-Lee Green (Co-Direktor von «Standing Together») und Rula Daood (Co-Direktorin von «Standing Together»).

Ausschnitt aus dem Podiumsgespräch mit Annelies Laschitza, Ingeborg Kaiser, Sahra Wagenknecht und Alfred Eichhorn. Internationale Rosa Luxemburg Konferenz am 16.17.1.2009 »Mit einem Worte, die Demokratie ist unentbehrlich.« Neue Erkenntnisse über die vor 90 Jahren ermordete Sozialistin und ihre Bedeutung für die Linken der Gegenwart.

Eine Hommage an Rosa Luxemburg zum 100. Todestag

Podiumsdiskussion mit:

   Katja Kipping (Co-Vorsitzende der Partei DIE LINKE)
   Ceren Türkmen (Soziologin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen)
   Daniela Dahn (Journalistin und Autorin)

Moderation: Britta Steffenhagen / Florian Weis

Vor dem Ersten Weltkrieg hielt Rosa Luxemburg eine Rede, in der sie die Arbeiter aufforderte, sich nicht im Krieg verheizen zu lassen. Dafür kam sie zunächst für ein Jahr ins Gefängnis. Bis zur Novemberrevolution wurde sie in Berlin, in Wronke und schließlich in Breslau in «Schutzhaft» gehalten. Vom Gefängnis aus schrieb Rosa Luxemburg Briefe an ihre Freunde, unter anderem an Sonia, «Sonjuscha» Liebknecht, die Frau Karl Liebknechts.