Lasst alle Hoffnung fahren
Zornige Blicke. Eine Flugschrift
Der Anregung »Den Krieg verlernen«, die die Autorinnen und Autoren in Erinnerung an Antje Vollmer im Frühjahr 2024 zur Diskussion gestellt hatten, wurde nicht gefolgt. Stattdessen dominieren weiterhin gespenstische Akteure die politische Landschaft und befördern Resignation. Nüchterne Blicke darauf könnten helfen, die Ursachen zu verstehen und trotz alledem zu Zuversicht und Hoffnung sowie zu Aufklärung und Widerstand zu ermuntern.
Drei große Berichte mit Visionen einer neuen globalen Zivilisation entstanden in den 1980er-Jahren unter der Leitung von Olof Palme, Willy Brandt und Gro Harlem Brundtland. Michail Gorbatschows »Neues Denken« war die sowjetische Antwort. Bis heute wirken sie nach über das Pariser Klimaabkommen, die Globale Nachhaltigkeitsagenda der UNO oder chinesische Vorschläge zu einer Politik der Schicksalsgemeinschaft der Menschheit.
Die Gegentendenzen aber waren nach 1990 immer wieder stärker. Neue Kriege, ein entfesselter neoliberaler Finanzmarkt-Kapitalismus und eine Politik des Wachstums, die vor allem den ohnehin Privilegierten nützt, beherrschen die Agenda. Die neue Rechte hat mit Trump in den USA die Regierung übernommen und ist in Europa im Vormarsch. Wir leben in der Zeit der Monster. Warum bringen Imperien so viel Zerstörungskraft gegen ihre Konkurrenten auf, statt in die eigene Entwicklung zu investieren? In einer solchen Zeit müssen nüchterne Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung gestellt werden.
Hoffnung, die sich nicht über die Möglichkeiten und Gründe des Scheiterns belehrt, kann eine Falle sein, die im Wege liegt, schrieb Volker Braun in seinem Gedicht »Eigentum« von 1990.
Die Autorinnen und Autoren – Mitglieder der Gruppe mit dem programmatischen Namen »Neubeginn« – fragen, welche Rolle in dieser Situation der Hoffnung zukommt? Hoffnung gilt seit der Antike als Halt des Lebens. Wer ohne Hoffnung ist, muss nicht aufgegeben haben, sondern erkennt die Notwendigkeit des Eingreifens dringlicher. Die Mitglieder der Gruppe »Neubeginn« suchen in der Tradition von Antje Vollmer nach Ursachen für das heutige Dilemma, setzen auf kollektiven Widerstand durch Aufklärung und auf die Chance einer neuen emanzipatorischen Erzählung.
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe des Verlags
VOLKER BRAUN
Das Eigentum
Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen.
KRIEG DEN HÜTTEN FRIEDE DEN PALÄSTEN.
Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.
Es wirft sich weg und seine magre Zierde.
Dem Winter folgt der Sommer der Begierde.
Und ich kann bleiben wo der Pfeffer wächst.
Und unverständlich wird mein ganzer Text
Was ich niemals besaß wird mir entrissen.
Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.
Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle.
Mein Eigentum, jetzt habt ihrs auf der Kralle.
Wann sag ich wieder mein und meine alle.
1990
aus: Volker Braun: Lustgarten. Preußen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1996 Quelle: planetlyrik.de
Autoreninfos
Vorangegangene Titel des Verlags zum Thema
Erstellt: 07.11.2025 - 06:41 | Geändert: 07.11.2025 - 08:00
